Ein aufsehenerregendes Urteil des Gerichts der Europäischen Union zeigt: Auch SMS-Kommunikation auf höchster politischer Ebene unterliegt dem Transparenzgebot. Im Mittelpunkt steht der direkte Austausch zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem CEO von Pfizer während der Corona-Pandemie. Dabei geht es um sensible Verhandlungen zum milliardenschweren Impfstoffkauf. Was das Urteil für Bürgerinnen und Bürger bedeutet und warum es ein wichtiges Signal für den Zugang zu Informationen ist, lesen Sie hier.
Hintergrund: Journalistin fordert Einsicht in Textnachrichten
Im Jahr 2022 beantragte eine Journalistin der New York Times bei der Europäischen Kommission offiziell Zugang zu sämtlichen Textnachrichten, die Ursula von der Leyen und Pfizer-Vorstandschef Albert Bourla zwischen Januar 2021 und Mai 2022 ausgetauscht haben sollen. Der Anlass: Während der Corona-Pandemie übernahm von der Leyen persönlich die Verantwortung für die Impfstoffbeschaffung auf EU-Ebene – und trat dabei offenbar direkt mit dem Pharmakonzern in Kontakt.
Diese Verhandlungen führten in der Folge zu einem Milliarden-Deal mit Pfizer. Kritiker bemängelten, dass die Verträge intransparent abgeschlossen wurden und möglicherweise ein Quasimonopol für Pfizer schufen. Die Journalistin wollte Klarheit schaffen – und beantragte Einsicht in die digitale Kommunikation auf höchster Ebene.
Ablehnung durch die Kommission
Die Europäische Kommission lehnte die Anfrage ab. Die Begründung: Diese SMS-Nachrichten seien nicht Bestandteil der offiziellen Unterlagen der Kommission und befänden sich daher nicht in ihrem Besitz – es bestehe also keine Informationspflicht.
Die Journalistin ließ sich damit jedoch nicht abspeisen. Mit Verweis auf ihr Recht auf Zugang zu Dokumenten der EU-Institutionen und auf das Grundrecht auf Information reichte sie Klage beim Gericht der Europäischen Union (EuG) ein.
Urteil des EuG: Zugriff muss gewährt werden
Am 14. Mai 2025 traf das Gericht eine klare Entscheidung (Az. T-36/23): Die Kommission hätte die angeforderten Textnachrichten prüfen und der Antragstellerin Zugang gewähren müssen.
Besonders kritisierte das EuG die fehlende Sorgfalt, mit der die Kommission mit dem Zugangsersuchen umgegangen ist. Die EU-Behörde habe ihre Behauptung, keine SMS zu besitzen, nicht nachvollziehbar belegt. Auch Angaben über die Existenz oder Löschung von Nachrichten blieben vage. Im Verfahren zeigte sich, dass die Kommission keine konkreten Nachforschungen angestoßen oder dokumentiert hatte.
Widersprüchliche Angaben und versäumte Prüfpflicht
Das Gericht wies explizit darauf hin: EU-Institutionen dürfen sich nicht durch pauschales Bestreiten ihrer Archivierungspflicht entziehen. Die Kommission hätte darlegen müssen, welche Maßnahmen sie konkret zur Suche nach den Textnachrichten getroffen hat – z. B., ob Geräte untersucht oder frühere Kommunikationsverläufe geprüft wurden.
Zudem stellte das EuG klar: Auch Textnachrichten, die im Rahmen der Amtsausübung gesendet werden, können amtliche Dokumente sein – unabhängig davon, ob sie traditionell als solche gelten oder auf neuen Kanälen wie Mobiltelefonen erfolgt sind.
Wichtige Entscheidung für Transparenz und Grundrechte
Mit dem Urteil setzt das EuG ein klares Zeichen für mehr Transparenz in der Europäischen Union. Institutionen der EU dürfen relevante digitale Kommunikation – auch per SMS – nicht länger als private oder belanglose Kommunikation abtun, wenn sie in Ausübung öffentlicher Verantwortung erfolgt ist.
Dieses Urteil stärkt nicht nur Journalistinnen und Journalisten im Kampf um Informationsfreiheit. Auch Bürgerinnen und Bürger profitieren künftig davon, wenn zentrale politische Entscheidungen besser nachvollziehbar dokumentiert und zugänglich gemacht werden.
Fazit:
Das EuG-Urteil zeigt deutlich: Transparenz ist ein Kernprinzip demokratischer Institutionen. Auch moderne Kommunikationsformen wie SMS sind von diesem Grundsatz nicht ausgenommen. EU-Behörden müssen deshalb künftig noch stärker nachweisen, wie sie mit sensiblen Informationen umgehen und ob Dokumente tatsächlich vorliegen oder nicht auffindbar sind.
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