Wer online ein Vorteilsprogramm oder eine Mitgliedschaft abschließt, erwartet nicht nur bequeme Vorteile, sondern auch faire Möglichkeiten zur Kündigung. Doch wie sieht es rechtlich aus, wenn ein Vertrag zwar automatisch endet, aber keine reguläre Kündigungsoption vorgesehen ist? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer aktuellen Entscheidung deutlich gemacht: Auch bei zeitlich befristeten Verträgen mit Einmalzahlung muss eine gut sichtbare und direkt erreichbare Kündigungsschaltfläche auf der Website vorhanden sein. Diese Entscheidung betrifft zahlreiche Verbraucher – auch in Rheinstetten – und schafft wichtige rechtliche Klarheit.
BGH: Kündigungsschaltfläche auch bei befristeten Digitalverträgen notwendig
Der Bundesgerichtshof hat am 22. Mai 2025 (Az. I ZR 161/24) ein wegweisendes Urteil gefällt, das alle betrifft, die Online-Dienstleistungen oder Vorteilspakete abschließen. Im konkreten Fall ging es um das Programm „OTTO UP Plus“, bei dem Verbraucher für 9,90 Euro im Jahr von besonderen Versandvorteilen und Bonuspunkten profitieren. Die Vertragslaufzeit beträgt ein Jahr und endet automatisch – eine ordentliche Kündigung ist laut Unternehmen nicht notwendig.
Doch was passiert, wenn etwa kurzfristig Änderungen im Programm vorgenommen werden oder der Kunde aus anderen Gründen vorzeitig kündigen möchte? Genau hier setzt die Entscheidung des BGH an.
Vertrag trotz automatischem Ende als Dauerschuldverhältnis eingestuft
Der Bundesgerichtshof stellte klar: Verträge wie „OTTO UP Plus“ sind rechtlich als sogenannte Dauerschuldverhältnisse zu bewerten – selbst dann, wenn die Zahlung nur einmalig erfolgt. Entscheidend ist allein, dass der Anbieter über einen längeren Zeitraum hinweg regelmäßig Leistungen erbringt. Bei OTTO waren dies unter anderem kostenfreier Versand und doppelte Bonuspunkte für nachhaltige Produkte.
Damit gelten auch bei solchen Verträgen die besonderen Verbraucherschutzvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Dazu gehört unter anderem die Pflicht zur Bereitstellung einer gut sichtbaren Kündigungsmöglichkeit über eine Schaltfläche – eine sogenannte Kündigungsschaltfläche. Diese muss direkt auf der Website erreichbar sein, möglichst ohne Umwege wie ein Benutzerkonto oder mehrere Zwischenschritte.
Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben führt zu Klageerfolg
Im Fall der OTTO-Webseite bemängelte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), dass Kunden sich erst einloggen und durch mehrere Menüpunkte klicken mussten, bevor eine Kündigung möglich war. Erst nach dem Ausfüllen eines Formulars erschien die Schaltfläche „Vertrag jetzt kündigen“ – aus Sicht des Verbands ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hatte dies zunächst anders gesehen, doch der BGH hob dieses Urteil auf und gab dem vzbv in vollem Umfang recht.
Rechtsfolge: Anbieter müssen Angebote anpassen
Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen auch über das Versandunternehmen OTTO hinaus. Alle Anbieter, die digitale Leistungen für einen festen Zeitraum gegen Geld anbieten – ganz gleich, ob monatlich oder per Einmalzahlung – müssen auf eine gut sichtbare Kündigungsschaltfläche achten. Das betrifft unter anderem:
– Rabatt- und Bonusprogramme mit Jahreslaufzeit
– Mitgliedschaften bei Streamingdiensten oder Online-Communities
– Digitale Services mit automatischem Laufzeitende
Eine Kündigung darf nicht an technische Hürden wie ein verstecktes Menü oder zusätzliche Formulare geknüpft sein. Ausschlaggebend ist die Transparenz und Nutzerfreundlichkeit – die Kündigung muss „mit zwei Klicks“ erreichbar sein.
Außerordentliche Kündigung bleibt immer möglich
Auch wenn ein Vertrag automatisch endet, schließt das eine außerordentliche Kündigung nicht aus. Diese kann zum Beispiel notwendig sein, wenn sich Vertragsbedingungen während der Laufzeit ändern oder andere gravierende Umstände eintreten. Anbieter, die keine oder nur schwer auffindbare Kündigungsfunktionen anbieten, riskieren Abmahnungen und gerichtliche Auseinandersetzungen.
Prüfen Sie jetzt Ihre Vertragsbedingungen
Die Entscheidung des BGH sorgt für neue Klarheit, wirft aber auch viele Fragen auf – sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen. Für Verbraucher bedeutet das: Wer nicht zufrieden ist oder seine Meinung ändert, hat das Recht auf einfache Kündigung, auch bei befristeten Verträgen mit Einmalzahlung.
Für Anbieter digitaler Produkte und Dienste heißt es: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, die Kündigungsprozesse auf Ihrer Website zu überprüfen. Gerade in Zeiten wachsender rechtlicher Anforderungen und zunehmender Abmahnrisiken ist es wichtig, rechtlich sauber aufgestellt zu sein.
Als Anwaltskanzlei aus Rheinstetten stehen wir Verbrauchern und Unternehmen bei Fragen rund um Vertragsrecht und digitale Verträge zuverlässig zur Seite. Wir prüfen Ihre Situation individuell und geben Ihnen konkrete Handlungsempfehlungen – verständlich, rechtssicher und auf Augenhöhe.
Fazit: Verbraucherrechte gestärkt, Unternehmen in der Pflicht
Mit seiner Entscheidung setzt der Bundesgerichtshof ein starkes Zeichen für den Verbraucherschutz. Kein Unternehmen darf sich hinter technischen Barrieren verstecken, wenn es um die Wahrung der Verbraucherrechte geht. Wer online Verträge schließt, muss sie auch online einfach wieder lösen können. Das Urteil schafft damit Rechtssicherheit – zum Vorteil für alle Beteiligten.