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Transparenzpflichten für Streamingdienste: Darf Deutschland Spotify regulieren?

Der schwedische Streamingdienst Spotify befindet sich aktuell in einem Rechtsstreit mit der deutschen Medienaufsicht. Im Mittelpunkt stehen die Transparenzpflichten nach dem deutschen Medienstaatsvertrag. Das Verwaltungsgericht Berlin hat das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof zentrale Fragen zur Vereinbarkeit mit EU-Recht vorgelegt. Dabei geht es um die spannende Frage: Wer darf in Europa Onlineplattformen wie Spotify regulieren – die EU oder die einzelnen Mitgliedstaaten?

1. Hintergrund: Der Medienstaatsvertrag und die Verpflichtung zur Transparenz
Der Medienstaatsvertrag (MStV) wurde von allen 16 Bundesländern verabschiedet und hat unter anderem das Ziel, die Meinungsvielfalt im Internet zu sichern. Er verpflichtet sogenannte Medienintermediäre – also Plattformen, die Inhalte Dritter aggregieren, selektieren und verbreiten – zu bestimmten Transparenzangaben. Zu diesen Medienintermediären zählen unter anderem Suchmaschinen wie Google, soziale Netzwerke wie Facebook oder Instagram, Videoplattformen wie YouTube – und auch Audio-Streamingdienste wie Spotify, soweit sie Inhalte Dritter verbreiten, etwa Podcasts.

Die Anbieter müssen gemäß § 93 MStV bestimmte Angaben jederzeit zugänglich und leicht verständlich für Nutzer bereitstellen, etwa zu den Kriterien der Inhaltsauswahl oder zur Steuerung der Sichtbarkeit von Inhalten.

2. Der Fall Spotify: Widerstand gegen deutsche Vorschriften
Im Sommer 2024 forderte die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) vom in Schweden ansässigen Unternehmen Spotify, diese Transparenzpflichten umzusetzen. Es ging dabei vor allem um das umfangreiche Podcast-Angebot auf der Plattform. Außerdem verhängte die Behörde eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 30.000 Euro. Spotify wehrte sich jedoch rechtlich gegen diesen Bescheid – mit Erfolg im Eilverfahren.

Spotify argumentierte, dass für den Streamingdienst nicht deutsches, sondern schwedisches Recht gelten müsse. Diese Auffassung stützte sich auf das sogenannte Herkunftslandprinzip, das in der EU-E-Commerce-Richtlinie geregelt ist: Demnach soll grundsätzlich das Recht des Sitzstaates eines Anbieters gelten – und nicht dasjenige eines Staates, in dem Inhalte lediglich verfügbar sind.

Darüber hinaus führte Spotify an, dass der europäische Digital Services Act (DSA) seit Februar 2024 umfassende Transparenz- und Sorgfaltspflichten für digitale Plattformen festlegt – ein EU-weit einheitlicher Rechtsrahmen. Demnach könnten nationale Regelungen wie § 93 MStV unzulässig sein, wenn sie vom europäischen Recht abweichen oder darüber hinausgehen.

3. Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin
Das Verwaltungsgericht Berlin sah sich Anfang Juli 2025 nicht in der Lage, die aufgeworfenen Fragen abschließend zu bewerten. Das Gericht entschied, das Verfahren vorerst auszusetzen und legte dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im Rahmen einer sogenannten Vorabentscheidung mehrere Rechtsfragen vor (Az. VG 32 K 222/24).

Konkret will das Gericht klären lassen:
– Ob der Digital Services Act eine abschließende Regelung im Bereich der Transparenzpflichten für Online-Plattformen darstellt,
– Ob nationale Regelungen wie der § 93 MStV daneben noch anwendbar sind,
– Und schließlich, ob das Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie es Deutschland verbietet, Transparenzpflichten gegenüber Spotify durchzusetzen, da der Anbieter seinen Sitz in einem anderen EU-Land hat.

Solange der EuGH diese Fragen nicht beantwortet, bleibt das Verfahren vor dem VG Berlin ausgesetzt und die Transparenzforderungen unvollstreckt.

4. Bedeutung des EuGH-Verfahrens
Die Entscheidung des EuGH wird weitreichende Konsequenzen für die Regulierung von digitalen Plattformen in der gesamten EU haben. Sollte der Gerichtshof zugunsten von Spotify entscheiden, könnten nationale Regelungen zur Plattformregulierung künftig nur noch sehr eingeschränkt zur Anwendung kommen.

Umgekehrt würde eine Entscheidung im Sinne der deutschen Regelung bedeuten, dass Mitgliedstaaten auch weiterhin ergänzende Bestimmungen zur Regulierung von Onlineangeboten erlassen können – was insbesondere im Hinblick auf Meinungsvielfalt und Medienkontrolle von Bedeutung sein könnte.

Fazit:
Derzeit ist vieles offen – entscheidend wird sein, wie der Europäische Gerichtshof die Rolle nationaler Gesetzgeber im Zusammenspiel mit dem EU-weiten Digital Services Act bewertet. Für Unternehmen wie Spotify, aber auch für Nutzerinnen und Nutzer in Rheinstetten und ganz Deutschland könnte das Urteil weitreichende Folgen haben: Denn Transparenz über Inhalte, Empfehlungen und Algorithmen ist ein zentrales Thema der digitalen Gesellschaft – nicht nur rechtlich, sondern auch gesellschaftlich.

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