Die Europäische Union arbeitet seit einiger Zeit an einem Gesetzesentwurf zur sogenannten „Chatkontrolle“ – mit bedeutenden Auswirkungen für jeden, der Messenger-Dienste wie WhatsApp, Signal oder Threema nutzt. Deutschland hat dem aktuellen Vorschlag zwar vorerst widersprochen, doch das Thema ist noch längst nicht vom Tisch. Was hinter den Plänen steckt, warum sie so umstritten sind und wie es weitergeht, erläutern wir hier für Sie als Verbraucher verständlich und kompakt.
1. Was bisher geschah – Deutschlands Nein zur Chatkontrolle
Im Oktober 2025 hat die Bundesregierung ihren Widerstand gegen den aktuellen Entwurf zur EU-weiten „Chatkontrolle“ erklärt. Die Bundesjustizministerin begründete das Nein mit dem Schutz der Privatsphäre: Eine generelle Überwachung privater Nachrichten widerspreche den Grundrechten. Dieses klare Signal aus Berlin, unterstützt durch weitere kritische EU-Mitgliedstaaten, führte dazu, dass die geplante Abstimmung im EU-Rat verschoben wurde. Das Vorhaben ist damit zwar vorerst gestoppt – endgültig vom Tisch ist es jedoch nicht.
Denn innerhalb der Bundesregierung ist die Haltung keineswegs einheitlich. So befürworteten beispielsweise andere Ministerien eine Zustimmung zum Gesetz. Auch bisher kritische Staaten wie Frankreich haben ihren Widerstand aufgegeben. Eine neue Abstimmung auf EU-Ebene ist für den 6. und 7. Dezember 2025 angesetzt. Sollte bis dahin eine leicht überarbeitete Version vorgelegt werden und Deutschland doch zustimmen, könnte der Gesetzgebungsprozess wieder Fahrt aufnehmen.
2. Was steckt hinter der geplanten Chatkontrolle?
Die Europäische Kommission hat im Jahr 2022 einen Gesetzesvorschlag vorgestellt, der den Kampf gegen Kindesmissbrauchsdarstellungen im Internet stärken soll. Geplant ist, dass gängige Messenger-Dienste wie WhatsApp, Signal oder Threema verpflichtet werden, private Nachrichten ihrer Nutzer zu durchsuchen – noch bevor diese überhaupt versendet und verschlüsselt werden. Diese Methode nennt sich „Client-Side-Scanning“ und würde direkt auf dem Gerät der Nutzerinnen und Nutzer ablaufen. Nur reiner Text wäre vom aktuellen Entwurf ausgenommen, Bilder, Videos oder Links würden automatisch mit Datenbanken und künstlicher Intelligenz abgeglichen.
Besonders brisant: Diese Durchsuchung soll ohne konkreten Verdacht erfolgen. Das bedeutet, dass jede Nachricht von jedem Nutzer wie unter Generalverdacht behandelt würde. Staatsbedienstete wie Polizei, Militär oder Nachrichtendienste wären von dieser Maßnahme allerdings ausgenommen.
3. Massive Kritik von Experten und Gesellschaft
Zahlreiche Fachleute aus Recht, Datenschutz und IT-Sicherheit haben sich in den vergangenen Monaten deutlich gegen das Vorhaben ausgesprochen. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kam zu dem Ergebnis, dass der Entwurf gegen die EU-Grundrechtecharta verstößt – insbesondere gegen das Recht auf Privatleben, Datenschutz und Meinungsfreiheit.
Die geplante Überwachung wird als unverhältnismäßig angesehen. Sie könnte nicht nur das bislang verlässliche Prinzip der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aushebeln, sondern einen gefährlichen Präzedenzfall für umfangreiche digitale Überwachung schaffen. Sicherere Messenger wie Signal oder Threema könnten sich gezwungen sehen, sich vom europäischen Markt zurückzuziehen, wenn das Gesetz kommt.
Fachleute warnen zudem vor dem sogenannten „Chilling Effect“: Wenn Menschen befürchten, dass ihre Kommunikation mitgelesen wird, könnten sie sich in ihrer Meinungsäußerung einschränken. Besonders betroffen wären dabei Berufsgruppen mit einem erhöhten Schutzbedarf – etwa Journalistinnen und Journalisten, Anwältinnen und Anwälte, Aktivistinnen und Aktivisten sowie Whistleblower, die auf Vertraulichkeit angewiesen sind.
4. Gibt es Alternativen zur Chatkontrolle?
Niemand bestreitet, dass der Schutz von Kindern im Internet höchste Priorität hat. Aber dieser Schutz muss verhältnismäßig und rechtsstaatlich sein. Das Europäische Parlament hat deshalb einen Alternativvorschlag eingebracht. Dieser sieht vor, dass Plattformen gezielt Schutzmechanismen gegen sogenannte Grooming-Versuche einbauen – also das Ansprechen Minderjähriger durch mögliche Täter. Auch ein besseres Meldesystem und technische Sicherungen gegen die Verbreitung illegaler Inhalte sind Teil des Vorschlags. Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung soll dabei erhalten bleiben. Ermittlungen würden weiterhin nur bei konkretem Verdacht eingeleitet und unterliegen richterlicher Kontrolle.
5. Was bedeutet das für mich als Nutzer?
Die Chatkontrolle betrifft jede und jeden von uns – unabhängig davon, ob man persönlich etwas zu verbergen hat. Denn sie würde faktisch die digitale Privatsphäre einschränken und die Grundrechte aller Nutzerinnen und Nutzer untergraben. Ob Messenger künftig noch sicher genutzt werden können, hängt davon ab, ob die Politik Grundrechte in ihrer Bedeutung ernst nimmt und entsprechend handelt. Auch die berufliche Kommunikation – etwa von Ärzten, Rechtsanwälten oder Medienschaffenden – könnte empfindlich gestört oder sogar unmöglich gemacht werden.
Fazit und Ausblick:
Das bisherige Nein Deutschlands war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung – aber kein endgültiger Sieg für die digitale Freiheit. Der Gesetzesvorschlag bleibt auf der politischen Agenda. Verbraucherinnen und Verbraucher aus Rheinstetten und ganz Europa sollten wachsam bleiben.
Der Schutz von Kindern darf und muss gestärkt werden – aber nicht um den Preis einer flächendeckenden Überwachung. Ziel sollte es sein, effektive Maßnahmen gegen Kriminalität zu entwickeln, ohne dabei die Rechte aller Bürgerinnen und Bürger einzuschränken.
Sie haben Fragen zum Datenschutz oder möchten Ihre Rechte in der digitalen Welt besser verstehen? Als erfahrene Kanzlei im Datenschutzrecht beraten wir Sie gern – verständlich, individuell und mit klarem Blick auf Ihre Rechte. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf – wir freuen uns, Ihnen weiterzuhelfen.