Darf ein Arzneitee mit dem EU-Bio-Logo beworben werden? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese Frage kürzlich mit einem klaren Nein beantwortet – zumindest im Regelfall. Diese Entscheidung sorgt sowohl bei Herstellern als auch bei Verbraucherinnen und Verbrauchern für Diskussionen. In diesem Beitrag erfahren Sie, was hinter dem Urteil steckt, welche Folgen es hat und warum das grüne „Bio-Blatt“ bald aus vielen Apotheken verschwinden könnte.
Tee trifft das Wettbewerbsrecht
Im Zentrum des Rechtsstreits stand ein Salbeitee der Firma SALUS aus Bayern. Dieser war als traditionelles pflanzliches Arzneimittel registriert und wurde über Apotheken und Drogeriemärkte vertrieben. Die Verpackung zeigte das grüne EU-Bio-Logo für ökologische Landwirtschaft, ergänzt durch einen Kontrollnummern-Code und den Hinweis „Nicht-EU-Landwirtschaft“. Das Unternehmen beabsichtigte, diese Gestaltung auch für andere Arzneitees wie Kamille und Melisse zu verwenden.
Eine Mitbewerberin, die ebenfalls pflanzliche Gesundheitsprodukte vertreibt, hielt diese Kennzeichnung für wettbewerbswidrig. Sie berief sich unter anderem auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie auf die EU-Öko-Verordnung und das Arzneimittelrecht. Sie klagte vor dem Landgericht Düsseldorf auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz.
Das Landgericht gab der Klage im Juni 2023 statt und untersagte den Vertrieb der Tees mit dem Bio-Logo (Az. 38 O 53/22). SALUS legte Berufung ein. Das Oberlandesgericht Düsseldorf wiederum erkannte eine grundsätzliche EU-rechtliche Fragestellung und legte sie im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor (Az. I-20 U 94/23).
Was wollte das Gericht genau wissen?
Das OLG Düsseldorf hatte mehrere Fragen:
1. Fallen Heilpflanzentees, die als traditionelle Arzneimittel zugelassen sind, unter die EU-Bio-Verordnung?
2. Wenn ja, dürfte dann das Bio-Logo ohne weitere Prüfung verwendet werden?
3. Und falls nein: Könnte das Logo dennoch erlaubt sein, sofern es für Patienten einen Mehrwert bietet und nicht bloß der Werbung dient?
Antwort aus Luxemburg: Klare Linie des EuGH
Der EuGH verneinte bereits die erste Frage. Die Bio-Verordnung erfasse lediglich Lebensmittel sowie einige benannte Produktkategorien, nicht jedoch Arzneimittel. Pflanzliche Arzneitees seien demnach nicht vom Anwendungsbereich dieser Verordnung umfasst. Für diese Produkte gelte ausschließlich das spezielle Arzneimittelrecht der EU.
Folglich bewertete der EuGH das Bio-Logo unter dem Gesichtspunkt der Kennzeichnung von Arzneimitteln. Gemäß Artikel 62 der EU-Arzneimittelrichtlinie dürfen zusätzliche Hinweise oder Zeichen auf Verpackungen nur dann verwendet werden, wenn sie wirklich für Patientinnen und Patienten wichtig sind – etwa Informationen zur Wirkweise, Sicherheit oder Dosierung – und keinen werbenden Charakter haben. Das Bio-Logo hingegen liefere keine medizinisch relevante Auskunft und könne dennoch den Absatz fördern – gerade bei rezeptfreien Produkten wie Heiltees. Damit sei die Verwendung des Logos in der Regel unzulässig.
Ausnahme nur bei wissenschaftlich belegtem Zusatznutzen
Der EuGH ließ eine Ausnahmeregelung zu: Sollte eine Zulassungsbehörde – gestützt auf wissenschaftliche Nachweise – feststellen, dass der ökologische Anbau eines Wirkstoffs die Wirksamkeit oder die Verträglichkeit des Medikaments verbessert, könne eine Bio-Kennzeichnung erlaubt werden. Derartige Fälle dürften jedoch selten sein, denn Hersteller müssten umfangreiche Belege vorlegen, um den medizinischen Zusatznutzen der Bio-Qualität zu beweisen. Ohne eine solche Ausnahmegenehmigung ist das grüne Bio-Logo bei Arzneitees künftig tabu.
Was bedeutet das für Hersteller und Verbraucher?
Mit dem Urteil zieht der EuGH eine klare Grenze zwischen Arzneimittelrecht und Lebensmittelrecht. Hersteller, die weiterhin Bio-Siegel auf ihren Heiltees verwenden möchten, müssen ihre Produkte künftig möglicherweise als Lebensmittel auf den Markt bringen. Das hat jedoch einen entscheidenden Haken: Arzneiliche Wirkversprechen – etwa „lindert Halsschmerzen“ – dürfen bei Lebensmitteln nicht mehr gemacht werden.
Andersherum müssen als Arzneimittel eingestufte Tees vollständig auf Bio-Hinweise verzichten – es sei denn, sie können nachweisen, dass die Bio-Qualität medizinisch relevant ist. Damit wird verhindert, dass ökologische Hinweise unzulässig zur Verkaufsförderung genutzt werden. Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet das mehr Klarheit: Wenn ein Tee als Arzneimittel verkauft wird, steht die therapeutische Wirkung im Vordergrund – nicht die landwirtschaftliche Herkunft der Zutaten.
Wie geht es weiter?
Nach der Entscheidung des EuGH muss nun das OLG Düsseldorf die weiteren Schritte im konkreten Streitfall klären. Es wird prüfen, ob eine Ausnahmegenehmigung für einzelne Tees möglich ist und ob das Vertriebsverbot Bestand hat. Doch die Luxemburger Entscheidung wirkt weit über diesen Einzelfall hinaus. Viele Hersteller von pflanzlichen Arzneimitteln müssen ihre Produktverpackungen anpassen und Marketingstrategien überdenken – besonders dann, wenn bisher Bio-Aspekte zum Verkaufsargument gemacht wurden.
Fazit: Vorsicht bei Bio-Werbung für Arzneimittel
Die Entscheidung des EuGH mahnt zur rechtlichen Sorgfalt bei der Produktkennzeichnung. Zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln bestehen erhebliche Unterschiede in Bezug auf zulässige Angaben und Werbeaussagen. Hersteller und Händler sollten sich daher unbedingt rechtlich beraten lassen, bevor sie Bio-Siegel, Gesundheitsversprechen oder Gütehinweise auf Verpackungen und in der Werbung verwenden.
Sollten Sie als Verbraucher oder Unternehmer Fragen zur Kennzeichnung Ihrer Produkte, zu rechtssicherer Werbung oder zu Wettbewerbsverstößen haben, stehen wir Ihnen in Rheinstetten gerne mit rechtlicher Expertise zur Seite.