Verbraucherinnen und Verbraucher sollen geschützt werden – auch durch Informationen über Hygienemängel bei Lebensmittelbetrieben. Doch was passiert, wenn Behörden vermeintlich zu spät informieren? Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat nun eine wegweisende Entscheidung getroffen, die Unternehmen vor unverhältnismäßigen Folgen schützen soll. Im Mittelpunkt steht ein sogenannter „Lebensmittelpranger“, der nach langer Verzögerung aktiv werden sollte.
Hintergrund: Veröffentlichungen auf Basis des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches
Behörden sind nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) dazu befugt, wesentliche Verstöße gegen Hygienevorschriften öffentlich bekannt zu machen – zum Schutz der Verbraucher. Die Informationen sollen dabei „unverzüglich“ veröffentlicht werden. In einem aktuellen Fall aber lag zwischen der Kontrolle eines Cateringbetriebs und der geplanten Veröffentlichung mehr als ein Jahr. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sah hierin einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit des Unternehmens.
Der konkrete Fall: Kontrolle, Mängel und langes Warten
Im Februar 2023 überprüfte das örtliche Ordnungsamt einen Catering-Service. Dabei wurden erhebliche Hygieneverstöße festgestellt: verdorbene Lebensmittel, Spuren von Mäusen, Verschmutzungen an Wänden und Geräten. Die Behörde dokumentierte diese Fakten umfangreich und kündigte kurz darauf an, die Erkenntnisse auf einem Verbraucherportal zu veröffentlichen.
Das Unternehmen reichte – nachdem es Akteneinsicht genommen hatte – fristgerecht eine Stellungnahme ein und wehrte sich später auf dem Rechtsweg gegen die geplante Veröffentlichung.
Verwaltungsgerichte: Uneinigkeit über Fristen und Verhältnismäßigkeit
Das Verwaltungsgericht Frankfurt lehnte den Eilantrag des betroffenen Betriebs ab. Begründung: Die Veröffentlichung zwischen Kontrolle und Bekanntgabe sei noch als „unverzüglich“ einzustufen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Hess. VGH) bestätigte diese Auffassung und verwies darauf, dass die Verzögerung im Wesentlichen auf das laufende Verfahren zurückzuführen sei.
Doch dann schritt das Bundesverfassungsgericht ein.
Entscheidung aus Karlsruhe: Veröffentlichungsfrist nach 17 Monaten nicht mehr gerechtfertigt
Das Bundesverfassungsgericht hob den Beschluss des Hessischen VGH auf. Eine Veröffentlichung nach über 17 Monaten sei nicht mehr geeignet, Verbraucher aktuell und sachlich zu informieren – und gleichzeitig sei der Eingriff in die Berufsfreiheit des Unternehmens unverhältnismäßig.
Die Richter erklärten, dass Informationen, die dauerhaft im Internet auffindbar sind, erhebliches Gewicht hätten. Sie beeinflussten Marktchancen und den Ruf eines Unternehmens nachhaltig. Deshalb sei bei jeglicher Veröffentlichung eine besonders sorgfältige rechtliche Abwägung notwendig – insbesondere, wenn vom Kontrollzeitpunkt bis zur Veröffentlichung so viel Zeit vergeht.
Das Gericht machte deutlich: Auch wenn Behörden Überlegungszeit und Spielraum benötigen, gilt dennoch der Grundsatz der Aktualität. Mit wachsender zeitlicher Distanz sinkt der Informationswert, gleichzeitig aber steigt die Belastung des betroffenen Unternehmens.
Folgen der Entscheidung – Transparenz trifft Grundrechte
Das Bundesverfassungsgericht betonte, dass das öffentliche Interesse an Verbraucherinformation nicht dazu führen dürfe, dass ein Betrieb durch veraltete Nachrichten dauerhaft geschädigt werde. Verzögerungen, die nicht vom Unternehmen verursacht werden, müssen bei der rechtlichen Bewertung stärker berücksichtigt werden.
Zukünftig gilt: Soll eine Veröffentlichung nach § 40 LFGB erfolgen, ist die zeitliche Nähe zur Kontrolle entscheidend. Bei langen Verzögerungen sind Behörden verpflichtet, diese im Einzelnen zu rechtfertigen.
Fazit für Betriebe und Verbraucher in Rheinstetten
Unternehmen aus Rheinstetten und Umgebung, die mit lebensmittelrechtlichen Kontrollen konfrontiert werden, sollten diese Entscheidung kennen: Behörden dürfen Informationen über Hygieneverstöße nicht willkürlich oder mit erheblicher Verzögerung veröffentlichen, ohne die Auswirkungen für das betroffene Unternehmen angemessen zu prüfen.
Verbraucher sollen weiterhin geschützt sein, jedoch im Rahmen eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen öffentlichem Interesse und den Grundrechten der Betriebe. Wer sich gegen geplante Veröffentlichungen juristisch zur Wehr setzen will, sollte rechtzeitig rechtlichen Rat einholen – damit Chancen auf faire Entscheidungen bestehen.