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EGMR entscheidet: Russland darf Google nicht zur Löschung politischer Inhalte zwingen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat ein bemerkenswertes Urteil gefällt: Die verhängten Geldstrafen und staatlichen Zwangsmaßnahmen Russlands gegen Google verstoßen gegen die Meinungsfreiheit und das Recht auf ein faires Verfahren. Insbesondere wurde bestätigt, dass digitale Plattformen nicht zur Zensur politisch kritischer Inhalte verpflichtet werden dürfen. Dieser Beitrag fasst für Verbraucherinnen und Verbraucher in Rheinstetten die wichtigsten Hintergründe und rechtlichen Einschätzungen des Urteils verständlich zusammen.

Hintergrund des Falls: Löschanordnung und politische Inhalte

Bereits 2020 begann ein juristischer Konflikt zwischen Google und der russischen Medienaufsicht. Die Behörde Roskomnadsor forderte die Entfernung von Inhalten auf YouTube, die sich kritisch mit sensiblen Themen wie der Corona-Politik, Verfassungsänderungen oder dem Krieg gegen die Ukraine auseinandersetzten. Auch Beiträge des später verstorbenen Kreml-Kritikers Alexei Nawalny waren betroffen. Google entfernte einige Inhalte innerhalb der russischen Landesgrenzen, verweigerte jedoch die weltweite Löschung, um die Meinungsfreiheit zu wahren.

Russische Gerichte reagierten mit drastischen Bußgeldern

Auf diese Weigerung hin verhängten russische Gerichte hohe Bußgelder. Im Dezember 2021 wurde eine erste Strafe von mehr als sieben Milliarden Rubel (rund 87 Millionen Euro) verhängt, im Juli 2022 folgte eine weitere Strafe in Höhe von über 21 Milliarden Rubel (rund 360 Millionen Euro). Grundlage war ein konzernweiter Umsatz, in den auch Tochtergesellschaften einbezogen wurden, die nicht direkt involviert waren. Zusätzlich wurden sogenannte „Turnover-Fines“ erhoben, die sich auf knapp 450 Millionen Euro summierten. Allein für nicht entfernte Videos auf der Plattform wurden weitere Strafgelder fällig.

Noch skurriler: Zwei Sextillionen Rubel Zwangsgeld

Ein zweites Verfahren betraf den russischen TV-Sender Tsargrad-TV, der wegen Sanktionen der EU und der USA gesperrt worden war. Google deaktivierte daraufhin die YouTube- und Gmail-Konten des Senders. Ein russisches Gericht forderte jedoch die Freischaltung und verhängte ein Zwangsgeld, das sich durch wöchentliche Verdopplung ins Unermessliche steigerte. Zwischenzeitlich wurde die Strafe auf eine Milliarde Rubel begrenzt – später jedoch wieder freigegeben. Theoretisch entstand dabei ein Betrag in der Höhe von zwei Sextillionen Rubel – eine Zahl, die weit über real verfügbare Geldmengen hinausgeht und weltweit für Schlagzeilen sorgte.

Zusätzlich belastend war für Google, dass russische Gerichte Vermögenswerte beschlagnahmten, ohne das Unternehmen vorher anzuhören. Aufgrund des Drucks stellte Google den Betrieb einiger Dienste in Russland ein und meldete im März 2022 Insolvenz seiner dortigen Niederlassung an.

EGMR sieht gravierende Verletzungen der Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beurteilte die Maßnahmen Russlands als unverhältnismäßig und rechtswidrig. Die Geldstrafen für nicht gelöschte Inhalte seien pauschal verhängt worden, ohne angemessene Prüfung des Einzelfalls – ein klarer Verstoß gegen Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf freie Meinungsäußerung).

Insbesondere hob der EGMR hervor, dass hohe Bußgelder dazu führen können, dass Internetplattformen aus Angst vor Strafzahlungen politische Inhalte gar nicht mehr zulassen – selbst dann, wenn diese rechtlich zulässig sind. Dadurch werde die öffentliche Debatte eingeschränkt und die Pressefreiheit systematisch gefährdet.

Auch im Fall von Tsargrad-TV kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass Google nicht dazu gezwungen werden dürfe, Inhalte eines sanktionierten Senders zu veröffentlichen. Die Verdopplung der Zwangsgelder sei so extrem angelegt gewesen, dass sie existenzbedrohend seien – und damit ebenfalls unrechtmäßig.

Verfahrensmängel und fehlende Neutralität russischer Gerichte

Nicht nur die Sanktionen selbst wurden bemängelt, sondern auch deren Durchsetzung. Russische Gerichte begründeten ihre Zuständigkeit trotz bestehender internationaler Vereinbarungen mit neuen nationalen Gesetzen. Der EGMR sah darin einen Verstoß gegen das Recht auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht gemäß Art. 6 EMRK.

Zudem kritisierten die Richter, dass bei der Berechnung der Bußgelder Unternehmen einbezogen wurden, die nicht involviert waren – ohne stichhaltige Erläuterung. Auch die Einziehung von Vermögenswerten ohne vorherige Anhörung wurde als unzulässig gewertet.

Bedeutung des Urteils für digitale Freiheit

Obwohl Russland mittlerweile aus dem Europarat ausgeschieden ist, unterliegt das Land für bestimmte Zeiträume weiterhin der Gerichtsbarkeit des EGMR. Das Urteil ist daher verbindlich – auch wenn Russland seiner Umsetzung nicht zwingend Folge leisten muss.

Trotzdem bedeutet das Urteil einen großen Erfolg für Unternehmen wie Google und andere Onlineplattformen: Es stärkt deren Rechte im internationalen Raum, insbesondere bei der Abwehr von Vollstreckungsversuchen durch ausländische Staaten, die mit dem Völkerrecht unvereinbar sind.

Was Verbraucher daraus lernen können

Das Urteil zeigt deutlich: Auch im digitalen Raum gelten Grundrechte – Meinungsfreiheit, Zugang zu Informationen und faire Verfahren dürfen nicht eingeschränkt werden, nur weil politische Inhalte unbequem sind.

Verbraucher und Mediennutzer in Rheinstetten wie auch anderswo profitieren davon, dass unabhängige Gerichte wie der EGMR klare Grenzen setzen. Private Anbieter müssen nicht jede politische Forderung eines Staates umsetzen und dürfen sich auf ihre Rechte berufen – ein bedeutsames Signal für den Schutz freier Kommunikation und unabhängiger Medien auch im Internet.

Rechtlicher Beistand bei Löschanordnungen und Zensur

Wenn Sie selbst Inhalte veröffentlichen, eine Website betreiben oder von Löschaufforderungen seitens Behörden oder Plattformen betroffen sind, kann eine qualifizierte rechtliche Beratung entscheidend sein. Auch Fälle mit internationalem Bezug, Verfahrensmängeln oder übermäßigen Sanktionen sollten rechtlich überprüft werden.

Ein erfahrener Anwalt setzt sich dafür ein, Ihre Meinungsfreiheit zu schützen, Verwaltungsentscheidungen zu prüfen und notfalls vor Gericht Widerspruch einzulegen.

Haben Sie Fragen zu diesem Thema oder benötigen Unterstützung beim Umgang mit Löschanordnungen? Sprechen Sie uns gerne an – wir stehen Ihnen in Rheinstetten kompetent und engagiert zur Seite.

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