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EU-Chatkontrolle: Freiwillige Maßnahme oder Überwachung durch die Hintertür?

Die Diskussion um die sogenannte „Chatkontrolle“ hat in den letzten Monaten viele Bürgerinnen und Bürger beunruhigt. Nachdem Deutschland und andere EU-Staaten die ursprünglichen Pläne für eine verpflichtende Überwachung privater Online-Kommunikation ablehnten, liegt nun ein neuer Gesetzesentwurf auf dem Tisch. Dieser macht scheinbar Zugeständnisse – doch Experten warnen: Die Überwachung könnte trotzdem kommen, wenn auch auf anderem Wege. In diesem Artikel beleuchten wir, was tatsächlich geplant ist, welche Risiken bestehen und was das für Verbraucher in Rheinstetten bedeutet.

1. Was genau ist die „Chatkontrolle“?
Die Europäische Kommission arbeitet seit 2022 an einem Gesetz zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch an Kindern im Internet. Ursprünglich sah der Entwurf vor, dass Messenger-Dienste wie WhatsApp, Signal oder Threema verpflichtet werden sollten, private Nachrichten vor dem Versand zu analysieren – sogar bei verschlüsselter Kommunikation. Eingesetzt werden sollte dabei künstliche Intelligenz, mit der Bilder, Videos und Links auf illegalen Inhalt überprüft werden. Textnachrichten wären zunächst davon ausgenommen gewesen.

2. Ein neuer Entwurf: angebliche Freiwilligkeit statt Verpflichtung
Auf massiven Widerstand einzelner EU-Staaten – darunter auch Deutschland – wurde dieser Entwurf abgelehnt. Nun liegt ein scheinbar abgeschwächter Vorschlag vor: Die Überwachung bleibt offiziell freiwillig. Anbieter sollen „alle angemessenen Maßnahmen zur Risikominimierung“ ergreifen. Doch genau diese Formulierung sorgt erneut für Kritik, denn was „angemessen“ ist, könnte in der Praxis weitreichende Konsequenzen haben.

3. Kritik: Freiwilligkeit als juristische Mogelpackung?
Datenschützer und Fachleute äußern tiefe Bedenken. Sie warnen, dass die Anbieter implizit gezwungen werden könnten, doch wieder alle Nachrichten zu scannen. In Artikel 4 des neuen Entwurfs wird ihnen nämlich die Pflicht auferlegt, Risiken zu erkennen und zu reduzieren – was in der Praxis leicht als Aufforderung zum flächendeckenden Scanning verstanden werden kann. Das würde de facto einer erneuten Überwachungspflicht gleichkommen, jedoch ohne transparente Kontrolle.

4. Gefahr für Privatsphäre und anonyme Kommunikation
Falls der neue Entwurf umgesetzt wird, könnten nicht nur Bilder und Videos betroffen sein. Zukünftig sei es laut Kritikern sogar denkbar, dass auch Textnachrichten überprüft werden – mithilfe von Algorithmen, die nach Schlüsselwörtern oder bestimmten Verhaltensmustern suchen sollen. Dabei ist die Fehlerquote hoch. Es droht eine digitale Massenüberwachung, bei der auch völlig unbescholtene Bürger unter Verdacht geraten könnten. Schon jetzt haben frühere Verfahren gezeigt, dass rund die Hälfte der gemeldeten Inhalte strafrechtlich irrelevant ist.

Ein weiteres Problem: Die geplante Altersverifikation. Um Kinder angeblich besser zu schützen, sollen Nutzer sich vermehrt identifizieren – etwa über Ausweiskontrollen oder Gesichtserkennung. Kritiker sprechen vom faktischen Ende anonymer Online-Kommunikation. Besonders Berufsgruppen wie Journalisten oder Whistleblower wären davon massiv betroffen.

5. Auswirkungen auf Jugendliche: digitale Isolation möglich
Als zusätzlicher Bestandteil der EU-Pläne steht ein mögliches Mindestalter von 16 Jahren im Raum. Dies würde bedeuten, dass Jugendliche unterhalb dieser Altersgrenze Messenger oder soziale Medien offiziell nicht mehr nutzen dürfen – auch nicht mit Zustimmung der Eltern. Das könnte zur digitalen Ausgrenzung führen, in einer Zeit, in der Online-Kommunikation für viele Kinder und Jugendliche elementarer Bestandteil ihres Alltags ist.

6. Rechtliche und technische Bedenken
Fachleute aus dem Datenschutz, der IT-Sicherheit und dem juristischen Bereich haben bereits deutlich gemacht: Der neue Vorschlag verstößt möglicherweise gegen zentrale Grundrechte wie den Schutz der Privatsphäre, Meinungsfreiheit und die informationelle Selbstbestimmung. Auch die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung – ein bewährtes Mittel zur Sicherung unserer digitalen Kommunikation – wäre durch das sogenannte „Client-Side-Scanning“ gefährdet.

7. Gibt es eine Alternative?
Kinderschutz ist zweifellos ein wichtiges Ziel – aber nicht auf Kosten der Grundrechte. Ein Alternativvorschlag aus dem Europäischen Parlament setzt daher auf gezielte Maßnahmen: Anbieter sollen verdächtige Inhalte entfernen dürfen, aber nur bei konkretem Verdacht und mit richterlicher Anordnung. Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bliebe erhalten, und statt Massenüberwachung sollen Plattformen gezielt sicherer gemacht werden, beispielsweise durch besseres Moderationsmanagement und Schutz vor sogenannte Grooming-Fälle.

8. Fazit: Politische Entscheidung mit weitreichenden Folgen
Obwohl Deutschland den ursprünglichen Vorschlag gestoppt hat, bleibt die Chatkontrolle weiterhin Thema auf EU-Ebene. Der neue Entwurf stößt erneut auf breite Kritik, insbesondere wegen seiner schwammigen Formulierungen und potenzieller Übergriffigkeit. Bei Umsetzung drohen eine ernsthafte Einschränkung der Privatsphäre, das Ende anonymer Kommunikation im Netz und eine Diskriminierung jüngerer Nutzer.

Informierte Entscheidungen und öffentlicher Diskurs sind nun wichtiger denn je. Der Schutz von Kindern muss mit dem Schutz unserer Grundrechte in Einklang gebracht werden – ohne eine digitale Totalüberwachung als Nebenwirkung. Bleiben Sie informiert – denn was heute europäische Politik ist, betrifft morgen auch Ihren Alltag in Rheinstetten.

Wenn Sie Fragen zum Thema Datenschutz oder digitale Grundrechte haben, unterstützen wir Sie gerne in unserer Kanzlei vor Ort. Ihre Rechte und Ihre Daten verdienen Schutz – kompetent und engagiert.

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