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Gericht erkennt Vertretung durch E-Mail-Zugang: Vergleich auch ohne ausdrückliche Zustimmung bindend

Ein Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken stellt klar: Wer Dritten dauerhaft Zugang zu seinem E-Mail-Account gewährt, muss unter Umständen für deren Handlungen einstehen. In einem aktuellen Fall sah das Gericht eine sogenannte Anscheinsvollmacht begründet – mit weitreichenden Folgen für die betroffene Immobilienbesitzerin. Dieser Beitrag beleuchtet das Urteil, erklärt die Hintergründe und gibt praxisnahe Hinweise zum sicheren Umgang mit digitalen Zugangsdaten.

1. Der Fall: Vergleich durch E-Mail des Ehemanns abgeschlossen
Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand eine Hauseigentümerin, die eine Gebäudeversicherung gegen Wasserschäden abgeschlossen hatte. Als es zu einem – zunächst unbemerkten – Wasserschaden kam, regulierte die Versicherung den Schaden nach langem Schriftverkehr im Jahr 2014 durch eine Zahlung in Höhe von 10.000 Euro. Grundlage war ein Abfindungsvergleich, der per E-Mail ausgehandelt worden war.

Brisant: Die fragliche E-Mail stammte nicht von der Eigentümerin selbst, sondern von ihrem Ehemann. Dieser hatte über den gemeinsamen E-Mail-Account mit der Versicherung kommuniziert – mit Wissen und Duldung seiner Frau. Später, im Jahr 2022, forderte diese weitere Zahlungen von der Versicherung und berief sich darauf, dass der Vergleich nicht wirksam geschlossen worden sei, da sie selbst nie zugestimmt habe.

2. Entscheidung der Gerichte: Bindung trotz fehlender Unterschrift
Sowohl das Landgericht Kaiserslautern als auch das Oberlandesgericht Zweibrücken wiesen die Klage der Frau ab. Während das Landgericht argumentierte, dass die Hauseigentümerin den Vergleich zumindest durch Entgegennahme der Zahlung stillschweigend genehmigt habe, ging das OLG noch weiter.

Das Oberlandesgericht erkannte ausdrücklich eine sogenannte Anscheinsvollmacht an: Die Eigentümerin hatte ihrem Ehemann über Jahre hinweg Zugriff auf ihren E-Mail-Account gewährt und geduldet, dass dieser regelmäßig in ihrem Namen – auch rechtsgeschäftlich – kommunizierte. Dadurch habe sie nach außen hin einen Eindruck vermittelt, der die Versicherung zur Annahme berechtigte, sie handele selbst oder habe ihren Ehemann bevollmächtigt.

Der Vergleich, so das Gericht, sei auch dann wirksam, wenn spätere Schäden zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht bekannt gewesen seien. In einem Abfindungsvergleich sei eine abschließende Regelung beabsichtigt – auch für etwaige Folgeschäden, sofern keine grobe Unangemessenheit ersichtlich sei. Das war hier nach Ansicht der Richter nicht der Fall.

3. Was bedeutet Anscheinsvollmacht?
Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn jemand regelmäßig für einen anderen auftritt und der „Vertretene“ dies kennt und duldet, sodass ein außenstehender Dritter davon ausgehen darf, der Handelnde sei berechtigt. In solchen Fällen haftet der Vertretene, obwohl keine formale Vollmacht vorliegt.

Im entschiedenen Fall kam es nicht auf eine ausdrückliche Bevollmächtigung an – entscheidend war, dass der Eindruck einer solchen Bevollmächtigung über längere Zeit zugelassen worden war.

4. Konsequenzen für Verbraucher: Digitale Zugangsdaten schützen!
Das Urteil macht deutlich, wie sorgloser Umgang mit Zugangsdaten weitreichende rechtliche Folgen haben kann. Insbesondere in der digitalen Kommunikation – sei es per E-Mail oder Online-Formular – können schnell rechtlich bindende Erklärungen abgegeben werden.

Verbraucherinnen und Verbraucher sollten deshalb folgende Hinweise beachten:

– Passwörter niemals an Dritte weitergeben – auch nicht an Familienangehörige – wenn eine klare Trennung der Verantwortlichkeiten gewahrt bleiben soll.
– Wer dennoch gemeinsam einen Account nutzt, sollte schriftlich dokumentieren, wer welchen Handlungsspielraum hat.
– Im geschäftlichen Verkehr sollten E-Mails stets so verfasst werden, dass nachvollziehbar ist, wer als Verfasser auftritt.
– Eine missbräuchliche Nutzung kann Außenstehenden nicht immer vorgeworfen werden, wenn der rechtliche Anschein über längere Zeit geduldet wurde.

5. Fazit: Vorsicht bei der Weitergabe von Passwörtern
Ein gemeinsam genutzter E-Mail-Zugang kann im privaten Alltag bequem sein – aus rechtlicher Sicht birgt er jedoch Risiken. Wer dauerhaft duldet, dass ein Dritter unter eigenem Namen elektronische Erklärungen abgibt, läuft Gefahr, auch für deren Inhalte haftbar gemacht zu werden. Das Urteil des OLG Zweibrücken zeigt eindrücklich, wie ernst Gerichte diesen Anschein nehmen.

Verbraucherinnen und Verbraucher in Rheinstetten und Umgebung sollten daraus lernen: Der Schutz digitaler Identitäten ist nicht nur aus Datenschutzsicht, sondern auch rechtlich von großer Bedeutung.

Bei Unsicherheiten oder Streit mit Versicherungen oder bei Fragen zu Vertragsbindungen stehen wir Ihnen als Ihre Kanzlei gerne zur Seite.

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