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Religionszugehörigkeit als Einstellungskriterium: Was das neue Urteil aus Karlsruhe bedeutet

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem wegweisenden Urteil zum kirchlichen Arbeitsrecht entschieden: Die Religionszugehörigkeit darf unter bestimmten Bedingungen weiterhin ein Einstellungsmerkmal sein – sofern nachvollziehbar und im Einklang mit dem konkreten kirchlichen Auftrag. Dieses Urteil betrifft viele kirchliche Einrichtungen ebenso wie Bewerber, die sich auf entsprechende Stellen bewerben. Wir erklären, was das für Betroffene aus Rheinstetten und Umgebung bedeutet.

Streit um eine kirchliche Stellenausschreibung

Ausgangspunkt des Falls war die Bewerbung der konfessionslosen Sozialpädagogin Vera Egenberger im Jahr 2012 auf eine befristete Stelle bei einer diakonischen Einrichtung. Das Projektthema war „Antirassismus“, und in der Stellenausschreibung wurde eine Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche oder einer Kirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland als Voraussetzung genannt.

Weil Egenberger keiner Kirche angehörte, wurde sie gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie machte daraufhin eine Diskriminierungsklage geltend – gestützt auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Benachteiligungen aufgrund von Religion oder Weltanschauung untersagt.

Gerichtliche Auseinandersetzung auf mehreren Ebenen

Der Fall ging durch mehrere Instanzen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) rief zunächst den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Dieser entschied im Jahr 2018, dass eine Kirchenmitgliedschaft nur dann Voraussetzung für eine Einstellung sein darf, wenn sie für die konkrete Tätigkeit „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ sei. Außerdem hält der EuGH fest, dass nationale Gerichte die Anforderungen vollumfänglich überprüfen müssen.

Das BAG folgte dieser Richtung und verurteilte den kirchlichen Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung. Dagegen wandte sich die Diakonie mit einer Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht – mit dem Argument, das kirchliche Selbstbestimmungsrecht werde nicht ausreichend berücksichtigt.

Karlsruher Richter stärken kirchliches Selbstbestimmungsrecht

Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 29.09.2025, Az. 2 BvR 934/19) stellte nun klar: Die Religionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen haben im deutschen Recht einen hohen Rang. Zwar bleiben die europarechtlichen Vorgaben bindend – sie dürfen aber so ausgelegt werden, dass sie mit der Verfassung vereinbar bleiben.

Das bedeutet konkret: Bei der Bewerberauswahl darf ein kirchlicher Arbeitgeber weiterhin religiöse Zugehörigkeit verlangen – jedoch nur, wenn das für die konkrete Ausübung der Tätigkeit erforderlich ist. Dabei muss die Kirche plausibel darlegen, warum das so ist.

Zweistufige Prüfung durch die Gerichte

Das Bundesverfassungsgericht führt eine zweistufige Prüfung ein:

1. Stufe: Kirchen müssen schlüssig erklären, dass es sich um eine religiöse Angelegenheit handelt. Dabei ist zu erläutern, welche Bedeutung diese Tätigkeit innerhalb der kirchlichen Glaubenslehre hat.

2. Stufe: Gerichte müssen dann die Interessen abwägen – also den Schutz vor Diskriminierung gegen das kirchliche Selbstbestimmungsrecht stellen. Je enger die Tätigkeit mit dem kirchlichen Auftrag verknüpft ist – etwa durch seelsorgerische Aufgaben oder Verkündigungsarbeit – desto eher kann ein bestimmtes religiöses Bekenntnis als Einstellungsvoraussetzung gelten.

Die europarechtlichen Kriterien („wesentlich, rechtmäßig, gerechtfertigt“) werden dabei nicht ausgehebelt, sondern durch eine verfassungskonforme Auslegung ergänzt.

Bedeutung für kirchliche Arbeitgeber

Für kirchliche Träger von Einrichtungen – etwa Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen oder Schulen – bringt die Karlsruher Entscheidung mehr Klarheit. Sie können weiterhin eine Kirchenzugehörigkeit zur Bedingung machen, wenn diese nachvollziehbar mit den religiösen Aufgaben in Verbindung steht.

Allerdings müssen sie dies im Einzelfall begründen und können sich nicht auf pauschale Vorgaben stützen. Seit der EuGH-Entscheidung aus 2018 haben viele kirchliche Träger ihre Praxis ohnehin schon angepasst – das aktuelle Urteil bietet nun zusätzliche rechtliche Absicherung.

Was bedeutet das für Bewerber?

Auch Bewerber müssen sich auf die neue Situation einstellen. Pauschale Anforderungen nach Kirchenmitgliedschaft bleiben unzulässig. Wer sich jedoch auf eine Position bei einer kirchlichen Einrichtung bewirbt, die einen hohen religiösen Bezug hat, sollte sich bewusst sein: Die persönliche Glaubenszugehörigkeit kann in solchen Fällen ein formales Auswahlkriterium sein.

Nichtsdestotrotz bleibt der Diskriminierungsschutz weiterhin bestehen. Wer sich benachteiligt fühlt, sollte prüfen lassen, ob die kirchliche Begründung tatsächlich tragfähig ist. Hier kommt es stark auf die konkrete Tätigkeit und den Einzelfall an.

Fazit: Neue rechtliche Leitplanken für kirchliche Arbeitsverhältnisse

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird die künftige Praxis im Bereich kirchlicher Arbeitsverhältnisse maßgeblich beeinflussen. Sie stellt klar: Religionszugehörigkeit darf unter bestimmten Bedingungen ein entscheidendes Kriterium bei der Personalauswahl sein – doch dies ist prüfungsbedürftig und setzt eine plausible Begründung seitens des kirchlichen Arbeitgebers voraus.

Gleichzeitig stärkt der Beschluss auch die Rechte der Bewerber, indem er eine konkrete rechtliche Prüfung verlangt. Der Schutz vor Diskriminierung bleibt weiterhin ein Kernpunkt des Arbeitsrechts – auch im Kontext kirchlicher Träger.

Anwaltlicher Rat bei arbeitsrechtlichen Fragen in Rheinstetten

Gerade bei Bewerbungen im kirchlichen Umfeld, bei Konflikten innerhalb kirchlicher Einrichtungen oder wenn Fragen zur Rechtmäßigkeit einer Stellenanforderung aufkommen, kann eine rechtliche Beratung entscheidend sein. Das Arbeitsrecht in diesem Bereich ist komplex und verlangt Fingerspitzengefühl sowie tiefgehendes Fachwissen.

Wenn Sie aus Rheinstetten oder der Umgebung kommen und Unterstützung bei einer arbeitsrechtlichen Fragestellung benötigen – ob als Arbeitnehmer, Bewerber oder Arbeitgeber –, stehen wir Ihnen mit unserer Expertise gerne zur Seite. Wir beraten Sie individuell, lösungsorientiert und rechtssicher. Kontaktieren Sie uns bei Fragen rund um Bewerbungen, Diskriminierungsschutz, kirchliche Loyalitätspflichten oder Arbeitsverträge.

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