Ein Stahlverarbeitungsunternehmen überwachte einen Mitarbeiter über einen Zeitraum von fast zwei Jahren heimlich mit Kameras – trotz seines ausdrücklichen Widerspruchs. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm sprach dem Betroffenen nun eine Entschädigung in Höhe von 15.000 Euro zu. Das Gericht stellte einen schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht sowie einen klaren Verstoß gegen Datenschutzvorgaben fest.
Hintergrund zum Fall
Ein Mitarbeiter eines Stahlverarbeitungsbetriebs wurde über 22 Monate hinweg durch insgesamt 34 hochauflösende Kameras an seinem Arbeitsplatz permanent überwacht. Trotz seines Widerspruchs ließ der Arbeitgeber die Überwachung ununterbrochen weiterlaufen. Die Kameras filmten rund um die Uhr in nahezu allen Bereichen, die der Arbeitnehmer regelmäßig aufsuchte – darunter Büros, Lagerräume und Aufenthaltsbereiche. Schließlich klagte der Mitarbeiter auf Unterlassung sowie auf Entschädigung und bekam in beiden Instanzen recht.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht urteilen zu Gunsten des Mitarbeiters
Bereits das Arbeitsgericht Dortmund erkannte in der anhaltenden Videoüberwachung einen gravierenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters und sprach ihm eine Entschädigung in Höhe von 15.000 Euro zu. Der Arbeitgeber legte Berufung ein, doch das Landesarbeitsgericht Hamm bestätigte das Urteil.
Keine ausreichende Rechtfertigung durch den Arbeitgeber
Das Unternehmen versuchte, die Maßnahme mit Sicherheitsaspekten zu begründen – insbesondere mit dem Schutz vor Diebstahl und der Wahrung der Arbeitssicherheit. Das Gericht sah jedoch kein berechtigtes Interesse im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Es sei nicht erkennbar, warum eine flächendeckende, dauerhafte Überwachung notwendig sein sollte. Der Arbeitgeber hätte auf weniger eingriffsintensive Maßnahmen, wie z. B. eine punktuelle Überwachung besonders sicherheitsrelevanter Zonen, zurückgreifen können.
Auch eine angebliche Einwilligung des Arbeitnehmers sah das Gericht nicht als wirksam an. Eine im Arbeitsvertrag enthaltene Klausel zur Zustimmung an der Videoüberwachung wurde verworfen, da sie nicht den Anforderungen der Freiwilligkeit und Transparenz aus der DSGVO genügte. Der Mitarbeiter war nicht ausreichend über seine Rechte informiert worden – insbesondere über das Widerrufsrecht.
Verstoß gegen Datenschutzrecht
Das Gericht stellte darüber hinaus fest, dass der Arbeitgeber sich nicht nur über den Widerspruch des Mitarbeiters hinwegsetzte, sondern zudem unzureichende und teils falsche Auskünfte über die Überwachung erteilte. Dies wertete das Gericht als vorsätzlichen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen.
Belastung für den Mitarbeiter über Monate hinweg
Die Richter machten deutlich, dass insbesondere die Überwachungsdauer sowie die eingesetzte Technik (HD-Kameras mit Zoomfunktion) einen besonders gravierenden Eingriff darstellten. Alltägliche Arbeitsabläufe, etwa der Gang zur Toilette oder in den Pausenraum, wurden ebenso überwacht. Der Kläger beschrieb einen psychischen Anpassungsdruck und ein dauerhaftes Gefühl der Kontrolle. Das Gericht sah darin eine erhebliche Beeinträchtigung der freien Entfaltung der Persönlichkeit.
Bemerkenswert hohe Entschädigungszahlung
Mit der Entschädigung von 15.000 Euro wollte das Gericht nicht nur den immateriellen Schaden für den Betroffenen ausgleichen, sondern auch ein deutliches Zeichen setzen. In vergleichbaren Fällen wurden in der Vergangenheit meist geringere Summen zugesprochen. Die Höhe wurde insbesondere durch die lange Dauer der Überwachung, deren technische Intensität sowie die Missachtung der ausdrücklichen Einwände des Mitarbeiters gerechtfertigt.
Fazit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Das Urteil des LAG Hamm zeigt deutlich: Arbeitgeber müssen bei Überwachungsmaßnahmen sehr sorgfältig abwägen, ob und in welchem Umfang diese zulässig sind. Eine pauschale Überwachung aller Arbeitsbereiche über einen langen Zeitraum hinweg verstößt in der Regel gegen das Persönlichkeitsrecht und ist datenschutzrechtlich unzulässig. Arbeitnehmer haben in solchen Fällen Anspruch auf Unterlassung und können gegebenenfalls auch hohe Entschädigungen einklagen.
Besonders wichtig ist, dass Mitarbeiter über ihre Rechte im Umgang mit personenbezogenen Daten umfassend informiert werden – insbesondere dann, wenn es um sensible Eingriffe wie die Videoüberwachung geht. Datenschutz ist kein nebensächliches Thema, sondern ein Grundrecht, das auch am Arbeitsplatz geschützt ist. Bürger und Beschäftigte in Rheinstetten sollten ihre Rechte kennen und bei Zweifeln rechtlichen Rat einholen.