Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs sorgt für weitreichende Konsequenzen im Urheberrecht – insbesondere für Fotografen, Designer und Unternehmen, die kreative Leistungen verwerten. Ein scheinbar alltäglicher Fototermin führte zu einer Grundsatzentscheidung: Der Urheber eines Porträtfotos hat umfassende Auskunftsrechte gegen ein Unternehmen, das sein Werk in erheblichem Umfang kommerziell genutzt hat. Der Fall zeigt, warum eine faire Vergütung und Vertragstransparenz für beide Seiten unerlässlich sind – auch Jahre später.
Der Fall: Geringes Honorar, große Wirkung
Ein professioneller Fotograf fotografierte im Jahr 2011 die Geschäftsführerin eines Nahrungsergänzungsmittel-Unternehmens. Das Honorar betrug lediglich 180 Euro für vier Stunden Arbeit. Laut Vereinbarung sollte die Aufnahme ausschließlich in einem internen Trainingsplan verwendet werden. Doch das Unternehmen nutzte das Bild deutlich umfangreicher: Es wurde digital bearbeitet und auf rund 25 verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln prominent auf den Verpackungen eingesetzt – in Online-Shops, auf der Unternehmenswebsite sowie in Teleshopping-Sendungen. Dort wurde es sogar von der fotografierten Person selbst präsentiert.
Der Fotograf erfuhr erst Jahre später von dieser kommerziellen Nutzung und verlangte Auskunft – unter anderem über Vertriebsmengen, Umsätze und bestehende Lizenzverträge. Die Gegenseite lehnte das jedoch ab. Begründung: Das Bild sei rein dekorativ und ein Anspruch durch Zeitablauf verwirkt. Die Angelegenheit führte schließlich zur gerichtlichen Auseinandersetzung.
Die gerichtliche Entwicklung
Zunächst hatte der Fotograf vor dem Landgericht München I keinen Erfolg. Auf seine Berufung hin entschied das Oberlandesgericht München jedoch, dass dem Fotografen teilweise Auskunft zustehe – allerdings begrenzt auf Verwendungen ab einem bestimmten Stichtag.
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 18.06.2025, Az. I ZR 82/24) bestätigte nun eine deutlich weitergehende Auslegung des Auskunftsanspruchs auf Basis von § 32d Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG). Dieser Paragraph verpflichtet Vertragspartner eines Urhebers, regelmäßig über Art und Umfang der Nutzung sowie die dadurch erzielten Erträge zu informieren – insbesondere wenn ein auffälliges Missverhältnis zur ursprünglich vereinbarten Vergütung besteht.
Weitreichende Nutzung = hohe Bedeutung des Fotos
Der BGH stellte klar: Im konkreten Fall war das Porträtfoto ein zentrales Gestaltungselement der gesamten Produktserie. Es diente nicht nur der Dekoration, sondern beeinflusste gezielt das Vertrauen der Verbraucher – ein entscheidender Faktor im Markt für Nahrungsergänzungsmittel. Die Richter urteilten daher, dass das Bild eine tragende Rolle spiele. Eine Marktvergütung sei hier deutlich höher als das gezahlte Pauschalhonorar, sodass dem Fotografen Auskunftsansprüche zustehen.
Indizien wie die Präsentation in mehr als 20 Produktlinien und Online-Shops sowie im Teleshopping reichten für eine plausible Schätzung des wirtschaftlichen Werts des Bildes aus. Auch die Tatsache, dass die Aufnahme mit dem Namen und der Unterschrift der abgebildeten Unternehmenschefin versehen war, verstärkte ihre Bedeutung deutlich.
Verjährung bzw. Verwirkung – der offene Punkt
Noch offen bleibt die Frage, ob der Fotograf durch sein langjähriges Zögern sein Recht verwirkt hat. Das muss nun das Oberlandesgericht München genauer prüfen. Das Unternehmen argumentiert, der Fotograf habe die Nutzung über viele Jahre stillschweigend hingenommen. Ob das den Vertrauensschutz begründet, ist juristisch nicht eindeutig und hängt von den Umständen ab.
Was bedeutet das Urteil für Kreative und Unternehmen?
Das Urteil ist wegweisend – für Urheber wie auch für Unternehmen. Denn seit einer Reform des Urhebervertragsrechts, die am 7. Juni 2021 in Kraft trat, sind auch Altverträge vom Auskunftsanspruch betroffen – sofern das Werk nach diesem Stichtag weitergenutzt wurde. Fotografen, Designer und andere Kreative sollten auf eine angemessene und transparente Vergütung achten. Gleichzeitig sind Unternehmen gut beraten, schon vor der Nutzung kreative Leistungen lückenlos zu lizenzieren und fair zu vergüten, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
Bei weitreichender Verwendung – etwa auf Verpackungen, Plattformen oder in der Werbung – sollten die Rechte umfassend geregelt und die Vergütung regelmäßig überprüft werden.
Fazit
Das Urteil zeigt: Selbst scheinbar harmlose Fotoaufträge können juristisch weitreichende Folgen haben – insbesondere bei kommerzieller Nutzung. Für Urheber ist es ratsam, die Verwertung ihrer Werke aktiv nachzuvollziehen und gegebenenfalls Ansprüche auf Nachvergütung zeitnah geltend zu machen. Unternehmen wiederum müssen mit dem Risiko leben, rückwirkend zur Rechenschaft gezogen zu werden – inklusive umfassender Auskunfts- und Offenlegungspflichten.
Wenn Sie als Kreativer oder Unternehmer Ihre rechtliche Position prüfen möchten – etwa in Bezug auf Lizenzen, Nachvergütung oder Auskunftsansprüche – unterstützen wir Sie gerne mit fundierter Beratung im Urheberrecht. So lassen sich potenzielle Konflikte frühzeitig vermeiden und kreative Leistungen auf ein rechtssicheres Fundament stellen.